Die Schönheit der Anstrengung - Gedanken beim Fahrradfahren

 

 Kürzlich auf einer Radtour: scheinbar mühelos überholte mich ein Ehepaar mit ihren E-Bikes an einem steilen Anstieg. Etwas mitleidig lächelten sie mir zu.

 

Obwohl schweißüberströmt und schweren Trittes, war ich glücklich und zufrieden mit meinem Fahrrad.

 

Ich liebe es, mit meinem Fahrrad unterwegs zu sein. Es gibt mir das Gefühl, in einer besonderen Art und Weise mit der Natur verbunden zu sein. Und zwar so, dass Mensch, Technik und Natur sich in perfektem Gleichgewicht befinden. Beim Fahrradfahren weiß ich: je mehr und je fester ich die Pedale trete, desto weiter und schneller komme ich voran. Es ist wie eine Gleichung: die Kraft, die ich aufwende,  wird direkt in Bewegung umgesetzt. Nicht Beherrschung von Natur und Technik, sondern harmonisches und gleichberechtigtes Zusammenspiel.

 

Beim E-Bike ist das nicht so. Noch deutlicher zeigt es der Vergleich mit dem Auto: ein winziger Impuls (von Kraft, Aufwand oder Anstrengung keine Spur) setzt die Bewegung in Gang.

 

Menschen scheinen fasziniert von der Idee, der unbewegte Beweger zu sein. Überall lassen sich Beispiele finden, wie wir erstrebenswerte  Ziele verfolgen und Dinge haben wollen ohne das dazugehörige Gegenstück: Liebe ohne Hingabe, Frieden ohne Verhandlung, Vielfalt ohne Fremdheit, Freiheit ohne Rücksicht, Erfolg ohne Mühe, Genuss ohne Verzicht.

 

Diese Einstellung bringt ein Ungleichgewicht ins Leben. Ursache und Wirkung stehen nicht mehr im richtigen und gesunden Verhältnis. Selbstüberschätzung, Allmachtphantasien und Maßlosigkeit und sind fatale Folgen davon. Auf dem Fahrrad zu schwitzen, sich einen Berg hoch zu quälen, das kann uns daran erinnern, was das menschliche Leben ausmacht und damit auch die Menschlichkeit: ich muss mich anstrengen, um mich zu bewegen.

 

Für das zwischenmenschliche Miteinander hat Jesus diese Gleichung so ausgedrückt: "Behandle die anderen so, wie du selber behandelt werden möchtest". Ich denke, in der heutigen Situation könnten und sollten wir das auch auf unser Verhältnis zur Natur ausweiten.

 

Aber widerspricht das nicht der Idee der Gnade? Besagt Gnade nicht genau das Gegenteil, nämlich dass wir ohne eigenes Zutun und eigene Verdienste beschenkt werden?

 

Ich glaube, dass die Gnade beim Scheitern der eigenen Anstrengungen ins Spiel kommt.

 

Ein anderes Ehepaar habe ich etwas später auf meiner Radtour überholt. Die beiden waren am Berg von ihren altmodischen Hollandrädern abgestiegen und haben das steile Stück geschoben. Ohne Anzeichen von Frust oder Enttäuschung haben sie sich lebhaft unterhalten und viel gelacht. Eine Gnade, wenn man so mit den Grenzen seiner Möglichkeiten und dem Scheitern seiner Mühe umgehen kann.

 

 (Jörn Foth, ev. Pfarrer und Urlauberseelsorger)

 




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Für theologisch Interessierte: "Gott fährt Rad"
Vortrag von Prof. Dr. Christian Grethlein
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Die Schönheit der Anstrengung
Zeitungsartikel von Pfarrer Jörn Foth
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"Fahrradfahren ist das neue Pilgern"

Ob das wohl stimmt?

In jedem Fall gibt es immer mehr Urlauber, die mit dem Fahrrad unterwegs sind. Und viele von ihnen machen gerne mal an einer Kirche Halt. Zum Ausruhen, zum Besichtigen oder zum Beten. Was es mit den Radwegkirchen auf sich hat, erfahren Sie hier.

Links können Sie sich den Flyer der Bayerischen Landeskirche herunterladen.